EINLEITUNG:
Am 12. August stand wieder ein sommerlich schwüler Tag mit rund 30°C und hoher Luftfeuchtigkeit von über 50% bevor. Allerdings wurden für den Abend Gewitter vorhergesagt, die eine kühlere Wetterphase ankündigen sollten.
Am Nachmittag näherte sich aus Westen die Kaltfront und formierte sich zu einer schönen Schauerlinie, die über Oberösterreich nach Niederösterreich ostwärts zog. Jedoch lagerte über Niederösterreich wärmere und energiereichere Luft, die mit Hilfe besserer Windscherung zur Entstehung einer Superzelle über dem Mostviertel/NÖ beitrug. Diese Zog mit bis zu 75km/h Richtung Wien und sorgte dort für eine Überraschung wie man sie seit Jahren nicht mehr erlebt hatte.
BERICHT:
Gegen 18h konnte man Richtung Westen vom 8. Bezirk in Wien schon sehr schön den geneigten Aufindturm des Unwetters sehen. Sozusagen aus heiterem Himmel zog das Unwetter heran.
Man konnte förmlich sehen, wie schnell das Unwetter zog, obwohl es zu diesem Zeitpunkt noch über 20km weit weg war.
Wenige Minuten später konnte man am Horizont schon die Wallcloud erkennen.
Und kurz darauf, die Zelle in voller Pracht. Links der bogenförmige stark ausgeprägte RFD, in der Mitte die tiefe Wolkenbasis der Wallcloud und rechts im Bild schön zu erkennen die scharfkantige flache Wolkenstruktur des Beaver Tails vorm FFD. Ein Merkmal besonders starker Superzellen.
Erste Blitze sah man an der dunkeln Wolkenbasis zucken und das Unwetter schien sich immer schneller zu nähern. Zuerst schien noch alles harmlos zu sein, aber binnen weniger Minuten baute sich die gewaltige Wolkenstruktur im rasenden Tempo immer näher zu meinem Standort auf.
Man konnte nun schon deutlich die Zuggeschwindigkeit der Zelle erkennen und einzelne Blitze zuckten nach wie vor direkt vor meinem Standort, hier eine Rekonstruktion eines solchen Blitzes, der nur mehr wenige Kilometer entfernt einschlug.
Zwischen den einzelenen Bildern lagen nur noch wenige Minuten. Seit dem ersten Foto waren kaum 20 Minuten vergangen. Als die Hügel im Hintergrund hinter dem Niederschlag der nassen Downbursts verschwanden, dauerte es keine 5 Minuten mehr, als auch mein Standort vom Downburst erreicht wurde.
So schnell das Unwetter kam und so heftig es war, so schnell war es auch wieder vorbei. Windspitzen bis 80km/h, extremer Starkregen mit vermutlich über 200mm/h und viel Aufregung. Sozusagen ein kurzer Rüttler und es war wieder vorbei.
Der befürchtete, bei solchen Wolkenstrukturen übliche, Großhagel blieb zum Glück aus. Direkt nach dem Unwetter kam auch wieder die Sonne hervor, die dann langsam von einer Regenfront aus Westen verdeckt wurde. Allerdings, der Himmel war klar und die Lichtstimmung ein Traum. Sozusagen die Entschuldigung nach diesem Wutanfall unserer geliebten Mutter Natur.
Im Zeitraffervideo des Unwetters erkennt man schön die Rotation und die enorme Zuggeschwindigkeit des Unwetters
ANALYSE:
Ausgangslage
Wie schon in der Einleitung erwähnt, entstand die Superzelle an der Vorderseite der Kaltfront des Tages. Diese Kaltfront zog zuerst als Schauerlinie über Oberösterreich und unter Verstärkung dann über Niederösterreich. Dort lagerte energiereichere Luft, die dann die Gewitter mit genug Energie zur Intensivierung versorgten.
Allerdings benötigt es für die Entstehung einer Superzelle noch eine viel wichtigere Zutat, nämlich die Windscherung. Diese war an jenem Tag exzellent. Einerseits erkennt man auf den Bodenströmungskarten sehr schön die über Stunden andauernde Konvergenz über dem südlichen Mostviertel. Andererseits ist auch das eintreffen der Front deutlich sichtbar, als die Konvergenz plötzlich nach Osten abgedrängt wurde.
Auch der Sonden aufstieg des Tages zeigt schön, die leichteren Winde aus West, bis nordwestlicher Richtung und die starken Höhenwinde aus Südwesten. Dank der sehr hohen Zuggeschwindigkeit des Unwetters von teilweise bis zu 80km/h schien der Wind für die Zelle bodennah aus östlichen Richtungen zu kommen. Da die Zelle schneller zog, als der Wind am Boden war, ergab sich für das Gewitter selbst ein scheinbarer Ostwind mit der Geschwindigkeit (Zuggeschwindigkeit des Gewitters minus Geschwindigkeit des Bodenwindes) aus östlichen Richtungen. Somit konnte sich trotz Nordwestwind die Aufwindbasis Richtung Osten schön formieren. Üblicherweise gilt die Regel, dass der Westwind ein Unwetterkiller ist, in diesem Fall konnte diese Regel durch die schnelle Zuggeschwindigkeit, die vom Jetstream getriggert wurde, ausgehebelt werden.
Ablauf des Ereignisses und Lebenszyklen der Superzelle
Auch am Radarloop ist wunderschön zu erkennen, wie sich über dem westlichen Mostviertel zuerst eine kräftige Gewitterzelle gebildet hat. Diese begann jedoch erst östlich von Scheibbs, südlich von Melk auszuscheren, was bedeutet das sich eine Mesozyklone entwickelt hat.
Das passt auch gut mit dem schon zuvor gezeigten Bodenströmungen zusammen. Ebenso ein Indikator für die sich entwickelnde Mesozyklone und somit bessere Organisation, ist das vermehrte Hagel aufkommen schon kurz vor St. Pölten. So wie das erste Intensitätsmaximum mit 2-4cm Hagel kurz nach St. Pölten.
Ebenso anhand der Blitze merkt man, dass dieses Unwetter kurz vor Melk plötzlich die Zugrichtung ein bisschen weiter Richtung Osten verlagerte, was ein erster Indikator für das entstehen einer Mesozyklone ist.
Danach vor dem Wienerwald folgte eine kurze schwächere Phase in der sich die Zelle reorganisieren konnte. Ab diesem Zeitpunkt erfüllte sie dann auch die Kriterien einer Superzelle, da sie nun schon länger als eine halbe Stunde persistente hochreichende Rotation aufwies.
Kurz vor Wien erreichte die Zelle ein weiteres Intensitätsmaximum und zog dann auch als starke klassische Superzelle mit einigen eingelagerten Downbursts über die Stadt, was man einerseits am Radarloop und an der detaillierten Hagelanalyse erkennen kann.
Ebenfalls am IR-SAT Bild erkennt man schön wie hochreichend diese Superzelle war. Dies ist ein weiterer Indikator für die starke Hebung und heftige Winde in dem System.
ZUSAMMENFASSUNG
Das war eine Superzelle, wie man sie sich als Stormchaser nur wünschen kann. Denn es gab zwar durchaus heftigere Wettererscheinungen, aber die Schäden blieben für eine Superzelle gering. Einerseits ist das den geringen Energiewerten zu danken die oftmals heftigere Wettererscheinungen fördern, andererseits das die Zelle sehr schnell zog und somit nur kurzzeitig an einem Ort wütete. Das war natürlich noch ein weiterer Indikator, dass die Windscherung der Antriebsmotor des Unwetters war und nicht wie so oft, die Advektion besonders energiereicher Luft mit Südostwind aus dem östlichen Mittelmeerraum nach Mitteleuropa.
Die stärksten Windböen wurden im Stadtzentrum im “Botanischen Garten” mit 95km/h gemessen und die Niederschlagsraten waren mit verbreitet über 100mm/h (gemessen wurden vereinzelt über 25mm in weniger als 10min) natürlich auch extrem hoch.
Statistisch betrachtet, trifft eine so stark organisiserte Unwetterzelle weniger als einmal in 10 Jahren die Stadt. Selbst erfahrene Stormchaser haben seit vielen Jahren kein vergleichbares Unwetter über Wien gesehen.
SCHLUSSWORT
So faszinierend diese Unwetter auch sind, so gefährlich können sie auch werden. Dieses eine Mal kamen viele mit dem Schrecken davon. Allerdings ist genau das, bei Superzellen, leider die Ausnahme.