Starkregen durch den Seeder-Feeder Effekt in Wieselburg am 21. Juni 2020

(c) Michael Winterspacher

Vorwort – Hochwasser im ganzen Bundesland

Am Sonntag dem 21. Juni 2020 stand für ganz Nordost Österreich fest, das es Hochwasser geben wird. Teils beachtliche Regenmengen von 50-100l/m² in 48h wurden erwartet. Dies ist dann auch vom westlichen Mostviertel bis in den Wienerwald und das Weinviertel eingetreten.

Was leider auch die Feuerwehreinsätze bezüglich kleinerer Überflutungen bestätigt haben.

Diese Niederschlagssummen haben somit verbreitet ein Hochwasser im Bereich HQ1-5 verursacht. Das geschieht laut Statistik alle 1-5 Jahre durchschnittlich einmal, also ein nicht all zu außergewöhnliches Ereignis.

Allerdings gab es punktuell teilweise sehr hohe Niederschlagsraten, was in keinem Vorhersagemodell erfasst wurde. Darauf werde ich in diesem Beitrag anhand des Starkregenereignisses in Wieselburg näher eingehen. Denn dort gab es ein Starkregenereignis, dass sämtliche Bemessungsgrundlagen für Schutzbauwerke übertroffen hat!

Vorhersage

Nachdem es schon einen Tag wie prognostiziert Landregen gab und bis zur Mittagszeit des 21.6. um die 50l/m² Niederschlag gefallen sind, begann es dann plötzlich immer stärker zu regnen. Es wurden zwar in den Wetterkarten konvektiv verstärkte Niederschläge angedeutet, aber nicht in dem Ausmaß, was am frühen Nachmittag folgen sollte.

Keines der gängigen Vorhersagemodelle hat dieses Starkregenereignis auch nur Ansatzweise angedeutet.

Ereignisablauf

Somit wurde schnell klar, dass die sich um die Mittagszeit immer weiter verstärkenden Niederschläge ein besonderes Ereignis darstellen. Nicht mal die Stationen des österreichischen Niederschlagsradars konnten dieses Ereignis erfassen.

das Niederschlagsradar zur Zeit des Starkregens, mit viel zu niedrigen Niederschlagsraten im betroffenen Gebiet.

Die des slowakischen Radars allerdings schon.

Hohe Niederschlagsraten am slowakischen Radar.

Dies lässt sich sehr einfach erklären, da der Wienerwald und dieAlpen so wie die böhmische Masse die Sender des österreichischen Radars blockieren. Die des Slowakischen können allerdings, die Ereignisse der tieferen Luftschichten in Ostösterreich sehr gut ausleuchten und erfassen. Das lässt sich aufgrund der Senderposition erklären. Hier erkennt man nun auch den eintreffenden Niederschlag aus Nordosten und das immer wieder regenerierende Starkregen Feld im Wieselburger Raum.

Zu Beginn konnte man auch auf der Webcam ein eindeutiges Indiz erkennen. Dieses zeigt, welcher Effekt den Starkregen brachte.

Aufsteigende bodennahe Dampfsäulen des beginnenden Seeder-Feeder Effekts nach 12 Uhr

Anhand dieses Bildes erkennt man sehr schön, wie die schon vorhandenen höheren Regenwolken noch weiter mit Wasserdampf aus bodennahen Luftschichten geimpft wurden. Der Regen der durch diese Dampfsäulen fällt, reißt noch mehr kleine Wassertröpfchen mit. Somit können die Tropfen wachsen und der Niederschlag wird dadurch erheblich verstärkt.

Auch die Niederschlagsauswertung dieses Ereignisses zeigt das sehr deutlich.

Stundensummen und akkumulierte Niederschlagssummen

Anhand dieser Grafik erkennt man, wie sich der Niederschlag über mehrere Stunden laufend verstärkt hat.

Das Nachfolgende Diagramm zeigt die Wiederkehrsintervalle von Starkregenereignissen im betroffenen Gebiet und verdeutlicht wie selten dieses Ereignis ist. Die Bemessungsniederschläge wurden nach den Daten des Hydrographischen Dienstes vom Dezember 2008 abgebildet.

Die Rote Linie zeigt das Niederschlagsereignis des 21.6. in Wieselburg und es verdeutlicht, dass sogar ein 100 Jährliches Ereignis an Dauer und Intensität weit übertroffen wurde. Das erklärt nun auch das überlaufende Retentionsbecken, was üblicherweise auf ein 100 Jährliches Ereignis bemessen wird. Würde man die Jährlichkeit genau berechnen, sollte diese etwas über T=200 liegen!

Analyse

Der Seeder Feeder Effekt beschreibt kurz gesagt den Prozess wie punktuell erheblich verstärkter Niederschlag auftreten kann. Dafür wird der sogenannte Feeder benötigt und ein Seeder. Unter Feeder versteht sich oftmals Nimbustratus. Diese Wolkengattung hat die Unterkante meist zwischen 1000-1500 müNN. Vertikal erstrecken sich diese Wolken in der Regel über 4-5km. Der Seeder hingegen ist eine Stratiforme Wolke darunter in tieferen Schichten.

Wie schon auf dem Webcam Bild gezeigt, gab es eindeutige Indizien.

Quelle: https://wieselcam.at/

Damit dieser Effekt bestehen bleiben kann, muss die Feuchte-Zufuhr gewährleistet sein und die Windrichtung muss die Orographisch bedingte Hebung verursachen.

Wie man schön auf den Windkarten erkennen kann wurden bodennah Winde aus westlichen Richtungen prognostiziert. Diese traten dann auch so ein.

Allerdings in höheren Schichten hat der Wind während dem Ereignis von Nordwest auf Nordost gedreht..

Diese Anströmungsrichtung aus Nordost gepaart mit bodennahem Westwind ist bei der Vb ähnlichen Zugbahn des Tiefdruckgebietes eher ungewöhnlich. Üblicherweise kommen die Winde aus West bis Nordwestlichen Richtungen. Allerdings war Tiefdruckkern etwas anders Positioniert und das hatte dieses Windprofil zur Folge.

Wie man auf den feuchtefluss Karten erkennen kann, blieb die Zufuhr feuchter bodennaher Luftmassen aus West stets aufrecht.

Anhand der Geländekarte ist schön zu erkennen, dass der Hügelkamm südlich der Donauschleife des Nibelungengaus und westlich von Wieselburg orthogonal zur Hauptanströmungsrichtung verläuft.

Google Maps

Dadurch wurde die Hebung bodennaher feuchter Luftmassen angeregt. Diese wurden mit dem bodennahmen Nordwestwind weiter Richtung Wieselburg getragen, während aus Nordosten laufend weitere Regenwolken zogen und die stratiformen tiefen Wolken förmlich ausgequetscht haben.

Die extrem starken Niederschläge erkennt man auch auf dem Radar, wie diese in Windrichtung und Orthogonal zur Kammachse linienförmig organisiert stehen und sich an dieser Position laufend regenerieren, da dieses Windprofil über mehrere Stunden beständig war.

Conclusio

Extremereignisse treten zum Glück sehr selten auf. Allerdings gibt es in den letzten Jahren immer mehr Häufungen punktueller Extremereignisse. Leider hängen diese unweigerlich mit der Klimaerwärmung zusammen, da wärmere Luft mehr Wasserdampf speichern kann. Wie auch bei vielen Gewittern im Sommer, sind solche Ereignisse nur auf wenige Kilometer beschränkt, aber dafür um so heftiger. Selbst Schutzbauten mit einer hohen Bemessungsgrundlage nützen in solchen Fällen nichts mehr. Einerseits kann man durch größere Investitionen bessere Schutzmaßnahmen umsetzen und im Ernstfall extreme Schäden abwenden, andererseits ist dieses Vorgehen auch mit einem wirtschaftlichen Risiko verbunden. Denn statistisch betrachtet kann es sein, dass so ein Ereignis in 200 Jahren kein einziges Mal stattfindet und dafür in zwei aufeinanderfolgenden Jahren wieder kehrt.

Leider sind bessere Schutzbauten mit höheren Kosten verbunden und somit wird auch oftmals die Wirtschaftlichkeit in Frage gestellt. Allerdings ist es in manchen Fällen besser gezielte Schutzmaßnahmen zu setzen, die nur im Ernstfall installiert werden können, und die Vorhersagen für Extremereignisse zu forcieren, anstatt vorausschauend und erwartend unverhältnismäßig große Investitionen zu tätigen, die Möglicherweise niemals ihren Nutzen zeigen werden.

Was diese Thematik betrifft steckt das Land noch in den Kinderschuhen und es wird die kommenden Jahre noch sehr viel Arbeit geben, um die Schäden solcher Ereignisse zu minimieren. Denn jedes Jahr sieht man auf ein Neues erschreckende Bilder aus betroffenen Ortschaften und das gilt es in Zukunft so gut wie möglich zu verhindern.

QUELLEN:

Mit freundlicher Unterstützung von

https://www.ubimet.com/
https://kachelmannwetter.com/at
https://ehyd.gv.at/?g_card=pegelaktuell
https://wieselcam.at/
https://www.noe.gv.at/wasserstand/#/de/Messstellen/Map/Durchfluss
https://www.wetterzentrale.de/
http://www.modellzentrale.de/WRF4km/index.php
http://www.shmu.sk/sk/?page=1&id=meteo_radar

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